"Unser Leben ist politisch":

Der Kampf um Würde und Sicherheit in Nairobis informellen Siedlungen

Von Mercy Kamau, Geschäftsführerin bei MCFPanairobi

In Mathare, einer der am dichtesten besiedelten informellen Siedlungen in Nairobi, kämpfen Frauen nicht nur ums Überleben. Sie kämpfen für das Recht, ohne Gewalt, ohne Angst zu leben. Und für die Freiheit, über ihre Körper und ihre Zukunft selbst zu bestimmen. Als Geschäftsführerin des Mathare Children’s Fund Panairobi (MCFPanairobi) arbeite ich mit Frauen, die tagtäglich systemischer Gewalt ausgesetzt sind. Diese Gewalt ist kein Zufall. Sie ist das Produkt einer Gesellschaft, in der patriarchale Machtverhältnisse tief verankert, kulturell legitimiert und institutionell gestützt sind.

Schritte aus der Gewaltspirale

Frauen übernehmen unbezahlte Sorgearbeit. Das macht sie in den Augen vieler Arbeitgeber*innen zu „unzuverlässigen“ Arbeitskräften. Sie werden von gut bezahlten Jobs ausgeschlossen, armutsbedingt früh verheiratet oder durch ungewollte Schwangerschaften aus der Schule gedrängt. Ökonomische Abhängigkeit ist oft der erste Schritt in ein Leben voller Gewalt. Sei es häusliche, sexuelle oder digitale Gewalt.

In unseren Programmen zu sexuellen und reproduktiven Rechten geht es deshalb nicht nur um Verhütung oder HIV-Prävention. Es geht um Selbstbestimmung, um das Wissen über den eigenen Körper, um mentale Gesundheit, um Schutzräume und um die Kraft, Nein zu sagen. Mit der Unterstützung unserer Partnerorganisation THE RAIN WORKERS bieten wir Teenager-Müttern im Rahmen einer 6-monatigen Berufsausbildung mit psychosozialer Begleitung auch sexualpädagogische Aufklärung und Empowerment-Trainings.

Frauen schweigen nicht mehr

Was wir aktuell beobachten, ist beunruhigend: Inmitten der aktuellen politischen Proteste nimmt die Gewalt zu. Frauen werden auf der Straße vergewaltigt, zuhause misshandelt, online bedroht. KI-generierte Deepfakes, sexuelle Erpressung, Polizeigewalt und wirtschaftliche Ausgrenzung treffen besonders junge Frauen. Und zwar dort, wo sie am verletzlichsten sind: in ihren Körpern.

Trotzdem haben die Proteste etwas verändert. Frauen schweigen nicht mehr. Sie fordern Gerechtigkeit, sie dokumentieren Missbrauch und sie unterstützen sich gegenseitig. Auch Männer stellen sich zunehmend an unsere Seite. Denn der Kampf für Gerechtigkeit ist keine rein weibliche Aufgabe. Es ist ein gemeinsamer Akt der Solidarität für Sicherheit, Würde und Freiheit.

Über die Arbeit von MCFPanairobi und THE RAIN WORKERS ist auch ein Artikel erschinen: Hier nachlesen.

Das Leben in Mathare ist von Armut und Unsicherheit geprägt. Frauen kämpfen hier für Selbstbestimmung und ein gewaltfreies Leben.

Aufklärung schafft Selbstbewusstsein: In Empowerment-Trainings lernen Frauen, über ihre Körper und ihre Zukunft selbst zu bestimmen. Die Ausbildner*innen von MCF Panairobi sind ausgebildete RAIN WORKER und somit Expert*innen für sexuelle und reproduktive Gesundheit.

THE RAIN WORKER unterstützt MCF Panairobi bei der Arbeit vor Ort in Kenia. Das Wiener Team ist zum Austausch vor Ort. Das stärkt die Partnerschaft und unterstützt die Arbeit mit Frauen und Mädchen in Mathare.

Berufsausbildung mit psychosozialer Begleitung gibt Teenager-Müttern neue Perspektiven und ökonomische Unabhängigkeit. RAIN WORKER Sharon besucht ausgebildete Schneiderinnen, die durch die Ausbildung bei MCF Panairobi nun selbstbestimmt ihr Leben gestalten können.

Gemeinschaft stärkt: Teenager-Mütter lernen nicht nur berufliche Fähigkeiten, sondern teilen auch Alltagsaufgaben während der Ausbildung und profitieren von gegenseitiger Unterstützung.

Auch der Zugang zu Menstruationshygiene ist politisch. In der Schneiderei von MCF Panairobi werden wiederverwendbare Binden genäht. Dank dieser verpassen weniger Mädchen Schultage während ihrer Periode.

Fotos © Magdalena Hassek/THE RAIN WORKERS

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